KURZbeschreibung
Babylogik
Die Fähigkeit, Schlüsse zu ziehen, erlaubt es uns, zu neuen Erkenntnisse zu gelangen, selbst wenn wir keinen direkten Beweis dafür haben.

Nehmen wir ein Alltagsbeispiel zur Illustration: Wir beobachten einen Kollegen dabei, wie er den Wasserkocher einschaltet, im Kasten nach etwas sucht, jedoch die Packung Kaffee, die im Kasten steht, außer Acht lässt. Wir können aus dieser Beobachtung den Schluss ziehen, dass er wahrscheinlich Tee trinken will und können ihm unsere Hilfe anbieten, den Tee zu finden. Eine Reihe von Experimenten, die von den Forscher*innen Nicolò Cesana-Arlotti, Ágnes Kovács und Ernő Téglás durchgeführt wurden, legt nahe, dass diese Fähigkeit bereits in einem frühen Stadium der menschlichen Entwicklung ausgebildet ist. Mit 14 Monaten können Babys bereits logische Schlussfolgerungen ziehen. Sie sind imstande, herauszufinden, was andere Menschen bevorzugen, indem sie unmögliche Alternativen ausschließen. Die Studie demonstriert, wie Babys nicht vorhandene Informationen einholen und dadurch etwas Neues über ihre soziale Umwelt lernen.

Den teilnehmenden Babys wurden kurze Animationsfilme gezeigt, in welchen eine Trickfilmfigur sich zwischen zwei Spielzeugen entscheiden musste und jedes Mal dasselbe Spielzeug wählte. Allerdings konnten die Babys das Spielzeug nicht sehen, sie konnten nur annehmen, um welches Spielzeug es sich dabei handelte. Zu Beginn der Szene waren beide Spielzeuge, ein Auto und ein Ball, sichtbar. Kurz darauf wurden sie hinter zwei Kisten versteckt, eines links und eines rechts. Dieser Teil des Films war so gestaltet, dass die Babys nicht wissen konnten, hinter welcher Kiste sich welches Spielzeug befand bis zu dem Moment, wo ein Spielzeug gezeigt wurde (z.B. der Ball). In der ersten Testphase griff die Trickfilmfigur stets nach dem Spielzeug, das hinter der Kiste versteckt war. Das bedeutet, dass Babys nur dann wissen konnten, welches das versteckte Spielzeug war, wenn sie sich an beide Alternativen – Auto oder Ball - erinnern und eine davon ausschließen konnten. In diesem Fall war es der Ball, da dieser ja kurz gezeigt wurde.

Um zu überprüfen, ob Babys tatsächlich diese Schlussfolgerung ziehen, haben die Wissenschaftler*innen den Babys am Ende der Sitzung neue Szenen gezeigt, in denen beide Spielzeuge die ganze Zeit sichtbar waren. In einigen Sequenzen griff die Trickfilmfigur wieder nach dem präferiertenSpielzeug, dem Auto; in anderen griff sie entweder nach dem Ball oder gar nach einem dritten Spielzeug, das vorher gar nicht vorhanden war. Die Forscher*innen prognostizierten, dass - wenn Babys verstanden hatten, dass die Figur in der ersten Testphase immer das Auto gewählt hatte, - sie dann überrascht wären, wenn sie beobachten würden, dass die Figur plötzlich nach einem anderen Spielzeug greift. Kleinkinder – Erwachsene übrigens auch – haben die Tendenz, länger auf Geschehnisse zu blicken, die sie als überraschend oder unerwartet einstufen, als auf Geschehnisse, die ihrem bisherigen Wissen und somit ihren Erwartungen entsprechen. Die Vorhersage der Forscher*innen wurde im Übrigen bestätigt: 14 Monate alte Babys blickten länger auf jene Szenen, in denen die Figur den Ball oder ein anderes Spielzeug und nicht das Auto wählte.

Diese Ergebnisse zeigen auf, dass Babys imstande sind, bevorzugte Objekte einer anderen Person herauszufinden, indem sie unmögliche Alternativen eliminieren und eine logische Schlussfolgerung ziehen. Die Erkenntnis, dass diese Art der Inferenz bereits im frühen Kleinkindalter vorhanden ist, ist erstaunlich, weil zu diesem Zeitpunkt derEntwicklung verbale logische Ausdrücke (z. B. „nicht“) noch nicht Teil des kleinkindlichen Wortschatzes sind. Diese Studie lieferte die ersten empirischen Beweise dafür, dass Babys die Fähigkeit besitzen, logische Schlussfolgerungen auf andere Arten von Inferenzen zu übertragen und zu integrieren – nämlich in solche, die die soziale Umwelt, also die Handlungen und Absichten anderer Menschen, betreffen.

Cesana-Arlotti, N., Kovács, Á.M. & Téglás, E. Infants recruit logic to learn about the social world. Nature Communications 11, 5999 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-19734-5

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